Autos auf dem Bahnhofsvorplatz?

Der Gießener Bahnhofsvorplatz

Ich bin etwas irritiert, wenn ich die Äußerungen von manchen Online-Kommentatoren zum neuen Gießener Bahnhofsvorplatz lese. So wird kritisiert, dass man nicht mehr direkt mit dem Auto vor den Haupteingang fahren kann. Vielmehr befinden sich die Kurzzeitparkplätze nunmehr ca. 100m von diesem Eingang entfernt. Nur noch Taxis dürfen auf den Bahnhofsvorplatz.

Die Kritik kommt hier grob unterteilt von zwei Gruppen. Zum einen von Menschen, die eine Gehbehinderung haben oder von (älteren) Menschen, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind. Diese Kritik kann ich zu einem gewissen Teil verstehen, wobei man anmerken muss, dass man über das Parkhaus Lahnstr. barrierefrei in der fast gleichen, wenn nicht sogar kürzeren, Entfernung zu den hauptsächlich genutzten Gleisen 2,3 und 4 gelangt, wie früher, als man noch direkt an den Haupteingang fahren konnte.
Des Weiteren beinhaltet das neue Verkehrskonzept, dass man mittels der Stadtbusse unmittelbar an das Gleis 1 heranfahren kann, zuvor war der Weg von den öffentlichen Verkehrsmitteln aus deutlicher länger.

Zum anderen von Leuten, die es schlicht gewohnt waren mit ihrem Auto entweder direkt vor den Haupteingang zu fahren, was schon damals in der oftmals getätigten Form nicht legal war, um Leute abzusetzen oder abzuholen oder, welche damals die näheren Kurzzeitparkplätze frequentiert haben. Gerade bei dieser Gruppe fehlt mir das Verständnis, wenn ich so manche Äußerungen verfolge.

Wo läge denn das Problem darin, so wird sich ereifert, wenn man mal nur ganz kurz vor den Eingang fahren würde, das würde ja schließlich ganz schnell gehen und wirklich keinen behindern. Die momentane Regelung könne ja nur am “grünen Tisch” von Leuten gemacht worden sein, die keine Ahnung hätten.

Die Sache ist aber, das kann man denke ich auch sehr gut in den jeweiligen Presse-Online-Archiven nachvollziehen, dass man es sich alles andere als leicht gemacht hat, mit der Zukunft des Bahnhofvorplatzes. Somit ist der jetzige Vorplatz mit seinem Ausschluss vom Auto das Ergebnis eines jahrelangen Abwägungsprozesses, an dem die unterschiedlichsten Behörden und Nichtregierungsorganisationen beteiligt waren.

Die Situation vorher war nämlich untragbar gewesen, wie ich mich noch sehr gut als jahrelang vom Bahnhof startender ÖPNV-Nutzer erinnere. Und damit meine ich nicht, dass der Platz zuvor aussah, als hätte man einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum vermuten müssen, wonach der Bahnhofsvorplatz in Gießen den Platz mit einem heruntergekommenen DDR-Bahnhofsvorplatz getauscht hätte.

Das größere Problem war, dass zig Autos immer wieder aufs Neue die Straße vor dem Haupteingang versperrten, so dass Busse und auch andere Autos nicht mehr daran vorbei konnten und Staus entstanden. Durch diese Situation entstand überdies eine gefährliche unübersichtliche Situation gerade für schwächere Verkehrsteilnehmer, wie Fußgänger, die den Platz an dieser Stelle querten.

Wenn nun der Bahnhofsvorplatz wieder freigegeben werden würde, hätten wir wieder den Platz voll mit Autos, was nicht nur unansehnlich, sondern auch gefährlich wäre, gerade für Menschen mit einer Sehbehinderung, für die der neue Bahnhofsvorplatz, wie über Leitstreifen, eine deutliche Verbesserung ergeben hat, aber auch für Fußgänger ganz allgemein.

Es bleibt für mich also festzuhalten, dass ich die Kritik beispielsweise von Menschen mit einer Gehbehinderung teilweise verstehen kann, wobei ich aber zu bedenken geben möchte, dass, wenn man die Stadtbusse nutzt, sich keine Verschlechterung, sondern sogar eine Verbesserung ergeben hat. Interessant finde ich hier zudem die differenzierte Kritik des Zentrum für selbstbestimmt Leben, das positives, wie zur Blindenführung am Vorplatz, wie auch negatives, wie zur Bahnhofshalle selbst, in einem Ortstermin abgearbeitet hat.

Was ich auf jeden Fall nicht möchte ist, dass wir aufgrund von Gewohnheit oder Bequemlichkeit mancher Autonutzer den schön gewordenen Bahnhofsvorplatz autogerecht und damit unattraktiver machen.

Veröffentlicht unter Der Sommer wird Grün

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