Nachlese zum Grünen Parteitag

BDK 2013 in Berlin

Alles richtig gemacht. Wir haben es gecheckt, nur die anderen, also die Wähler*innen, waren noch nicht so weit oder haben sich von Kampagnen täuschen lassen. Deswegen: einfach stur Weitermachen.

Das ist mal ganz komprimiert die Wahlanalyse des letzten Bundesparteitags in Berlin, von Trittin und einigen anderen.
Ersterer schaffte sogar in seiner Rede das Kunststück nicht einmal den kleinsten Hauch von Selbstkritik anklingen zu lassen. Das, obwohl wir Grüne uns eine lange Zeit in den Umfragen deutlich über dem jetzigen Wahlergebnis eingependelt hatten und vor allem in der heißen Phase des Wahlkampfs Zustimmung einbüßten und kaum eines unserer Wahlkampfziele erreichten.

Jürgen Trittin ist gewiss ein sehr kluger Kopf, er hat in der ersten rot-grünen Bundesregierung viel für uns erreicht. Aber mit seiner rechthaberischen Argumentation liegt er falsch und tut uns wahrlich keinen Gefallen.

Ich finde einen solchen und ähnliche Auftritte, bzw. Argumentationen nämlich schon ein wenig beschämend angesichts der negativen Rückmeldungen, die nicht nur ich während des Wahlkampfs bekommen habe.

Da hieß es dann zum einen, dass wir ja die neue Spießer- die Verbotspartei seien. Wenn ich dann dagegen argumentierte, wurde mir richtigerweise aufgezählt was wir alles verbieten wollen: Mopeds, Ölheizungen, Geschwindigkeitsfreigaben, Plastiktüten ohne Pfand, und natürlich, Fleisch am Donnerstag in öffentlichen Kantinen. Klar wurde diese Debatte auch durch die Bild-Zeitung und andere polemisch befeuert, nichtsdestotrotz haben wir eine schöne Angriffsfläche geboten.

Ich weiß nicht, was es uns bringt, wenn wir im wohl ausführlichsten Programm aller Parteien jeden kleinen Mist aufführen, den es zu verbieten gilt, anstatt ein positives Bild von dem zu entwerfen, was wir wollen. Anstatt deutlich zu kommunizieren, dass es uns beispielsweise darum geht, über ökologische Leitplanken Freiheit für den Einzelnen zu bewahren, wobei wir in Zukunft genau schauen sollten, wo es nicht vielleicht sinnvoller ist über Anreize unsere Ziele zu erreichen, anstatt über Verbote in bestimmte Lebensentwürfe hineinzugreifen.

Zum anderen wurde ich auf unsere Steuerforderungen angesprochen. Hier halte ich eine zeitlich begrenzte Vermögensabgabe zum Schuldenabbau, eine Reform bei der Unternehmenssteuer und einen höheren Spitzensteuersatz nach wie vor für unmittelbar richtig.
Aber wir Grüne wollten auch noch das Ehegattensplitting deckeln und langfristig abschaffen. Wir wollten die Erbschaftssteuer erhöhen. Wir wollten die Grundsteuer reformieren, was wohl auch mitunter erhöhen hieß. Wir wollten im Rahmen einer Föderalismuskommission III Vorschläge für Aufschläge nach dem Auslaufen des Solidaritätszuschlags erarbeiten. Wir wollten die Abgeltungssteuer reformieren…und so könnte ich jetzt noch fortfahren. Gravierend fand ich in diesem Zusammenhang auch noch, dass wir die Beitragsbemessungsgrenze in der Bürgerversicherung erhöhen wollten, was zusätzlich zu einer höheren Belastung geführt hätte, wenn auch nicht steuerlich.
Klar wird meiner Meinung nach, dass wir hier zuviel wollten, dass wir die Leute verschreckt haben.

Sich dann, wenn die allermeisten der Wahlziele verfehlt wurden, wenn auch repräsentative Umfragen den Umgang mit den beiden Themen als Knackpunkte belegen, hinzustellen und zu meinen, dass nur die Gesellschaft einfach noch nicht weit genug für unser koralles Programm war, wie es von vielen Redner*innen geäußert wurde, halte ich also für ziemlich arrogant und gefährlich falsch.

Selbstkritisch muss ich anmerken, dass rückblickend betrachtet natürlich nicht nur diejenigen, die solche Verortungen nach wie vor für dufte halten schuld an der momentanen Situation sind, sondern auch ich, der ebenfalls zum einstimmigem Votum für das Wahlprogramm beigetragen hat.

Darüber hinaus haben wir uns zum gefühlt hundertsten Mal auf einem Parteitag mit der Grünen Selbstständigkeit befasst. Die hatten wir eigentlich schon vor Jahren nach der Bundestagswahl 2009 richtigerweise beschlossen, also die Strategie uns nicht mehr lediglich an die SPD zu binden, sondern Koalitionen von den Inhalten abhängig zu machen.
Ein Problem ist, dass fast jeder Grüne Selbstständigkeit will, so auch auf dieser Bundesdelegiertenkonferenz, nur sehr unterschiedliches darunter verstanden wird. Die einen denken dabei eher an eine eigenständige Verortung im linken Lager, während andere, wie beispielsweise ich, sich darunter vorstellen, dass auch eine schwarz-grüne Koalition möglich sein muss.

Im Wahlkampf war zudem auf Bundesebene nicht mehr viel davon zu hören, während ich es in Hessen als sehr wohltuend erlebt habe, nicht wie andere Parteienvertreter entweder rumeiern oder mich der Ausschließeritis hingeben zu müssen. Auch dazu war außer von Realo-Vertreter*innen wenig Kritisches zu hören. Den Menschen war doch klar, dass rot-grün nicht klappen würde, und haben dann zum Teil deswegen, wie Wählerwanderungen nahelegen, die SPD gewählt, um sie in einer erwartbaren großen Koalition zu stärken.

Alles in allem haben wir Grüne also noch einen weiten Weg vor uns. Es kann auf jeden Fall nicht sein, dass wir uns in unserem Ergebnis einigeln, darin sogar einen Auftrag sehen in der Wahlkampfspur zu bleiben, um in der Opposition unser kleines Grünes Fähnlein zu schwingen, während gerade u.a. in Sachen Energiewende zentrale Entscheidungen getroffen werden.

Veröffentlicht unter Der Sommer wird Grün

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